Philipp Joshua Spiegel, Alumnus des Bachelor-Studiengangs Business Informatics, wollte seine Bachelorarbeit nutzen, um für sein Partnerunternehmen Hapag-Lloyd etwas Anwendbares zu schaffen. Das ist ihm mit Bravour gelungen. Er nutzte IoT-Daten, interpretierte sie und übersetzte sie in Intelligenz, um Frachtarten automatisch klassifizieren zu können. Seine innovative Forschung zeigt, wie Data Science die Logistikbranche verändern kann.
Künstliche Intelligenz trifft Logistik: Datengetriebener „Röntgenscan“ für Kühlcontainer

Lieber Joshua, herzlichen Glückwunsch zu Deinem Abschluss und Deiner tollen Bachelorarbeit! Du hast Dich mit einem für die Logistikbranche sehr aktuellen Thema beschäftigt, das Deinem Partnerunternehmen und jetzigen Arbeitgeber Hapag-Lloyd einen konkreten Mehrwert bietet. Worum genau geht es in der Arbeit?
Ich habe die Fragestellung betrachtet, ob es möglich ist, den Inhalt eines Kühlcontainers vorherzusagen auf Basis seiner Sensordaten, also quasi ein digitaler Röntgenscan, nur eben rein datengetrieben.
Wie bist Du auf das Thema Deiner Arbeit gekommen? Kam die Initiative von Dir oder hast Du es zusammen mit Hapag-Lloyd entwickelt?
Die Initiative kam von mir. Nach vielen Brainstorming-Sessions mit der DIA-Abteilung bei Hapag-Lloyd, wollte ich unbedingt ein Thema finden, das sowohl wissenschaftlich spannend als auch für Hapag-Lloyd relevant ist. Dafür habe ich mir zunächst eine riesige Mindmap erstellt, um alle Ideen und mögliche Richtungen sichtbar zu machen. Aus dieser Vielfalt habe ich dann eine quantifizierbare Matrix gebaut, in der ich Kriterien wie Relevanz, Umsetzbarkeit und Wissenschaftlichkeit bewertet habe. Am Ende blieben vier Themen übrig und der klare Favorit war die Klassifikation von Frachtarten über Sensordaten.
Was ist das Besondere daran?
Das Besondere an meiner Arbeit ist, dass ich mit echten IoT-Sensordaten aus der Kühlkettenlogistik gearbeitet habe. Diese Realdaten sind extrem umfangreich und unregelmäßig sowie teilweise fehlerbehaftet. Daraufhin habe ich gezielt zwei verschiedene Modellansätze miteinander verglichen: einen Random Forest als klassische Machine-Learning-Methode und ein LSTM (Long Short-Term Memory) für die Verarbeitung der zeitlichen Sequenzen. Dabei hat sich gezeigt, dass der Random Forest in diesem Anwendungsfall effizienter arbeitet, also robuster und schneller mit den gegebenen Daten zurechtkommt, auch wenn das LSTM grundsätzlich Potenzial für komplexere zeitliche Muster hätte.
Hapag-Lloyd war eine der ersten Reedereien weltweit, die eine umfassende Sensortechnologie eingeführt hat, um Position, Status und Bewegung aller Standardcontainer in Echtzeit zu überwachen. Wie spielt da Deine Arbeit mit rein?
Genau diese Sensorik ist die Grundlage meiner Arbeit – ohne die Live-Daten wären solche Analysen überhaupt nicht möglich. Meine Bachelorarbeit zeigt, wie man diese Daten nicht nur zur reinen Überwachung nutzen kann, sondern auch für intelligente Anwendungen wie die automatische Klassifikation von Frachtarten. Damit wird ein zusätzlicher Mehrwert geschaffen: Aus den Sensordaten lassen sich Muster ableiten, die sowohl operative Prozesse als auch Themen wie Zollabwicklung oder Nachhaltigkeit unterstützen. Insofern greift meine Arbeit die Vision von Hapag-Lloyd auf, Daten nicht nur zu sammeln, sondern auch mit KI in konkrete Anwendungen zu übersetzen.
Werden die Container nun noch smarter? Werden Lieferketten dadurch weiter optimiert?
Meine Arbeit zeigt, dass diese Sensorik nur der erste Schritt ist. Reine Echtzeitüberwachung ist wichtig, aber der wahre Mehrwert entsteht, wenn man die Daten interpretiert und in Intelligenz übersetzt. Ein Container kann damit nicht nur senden, wo er steht oder wie kalt er ist, sondern auch implizit verraten, welche Art von Ware wahrscheinlich geladen ist. Das verschiebt den Blick: vom reaktiven Monitoring hin zu proaktiven Entscheidungen.
Wie wichtig war es Dir nicht „nur“ zu forschen, sondern wirklich etwas Konkretes, Anwendbares zu schaffen?
Sehr wichtig. Ich wollte etwas machen, das nicht nur auf dem Papier bleibt, sondern Hapag-Lloyd auch konkret weiterhelfen kann. Genau deshalb habe ich mich für ein Thema entschieden, das auf den realen Sensordaten aufbaut und direkt Anwendungsbezug hat.
Du bist von Deinem Partnerunternehmen Hapag-Lloyd nach dem Studium direkt übernommen worden. Hat Deine Bachelorarbeit geholfen, eine Festanstellung zu bekommen?
Nach der Graduierung ging es für mich bei Hapag-Lloyd weiter als Software Engineer. Ein ausschlaggebender Aspekt für die positive Zusage des Fachbereichs war mein Wissen im Bereich Machine Learning. Für mich ist die Bachelorarbeit somit ein wichtiger Türöffner gewesen: Sie hat gezeigt, was mit den Sensordaten alles machbar ist, und mir intern viel Sichtbarkeit verschafft. Das gibt mir die Chance, mich weiter im KI-Umfeld einzubringen und mich im Job weiterzuentwickeln.
Ganz allgemein gefragt: Hat Dich Dein Studium gut auf Deinen jetzigen Job vorbereitet?
Ja, absolut. Besonders die Projektarbeiten in Programmierung 1 & 2 sowie im Projektmanagement haben mir gezeigt, wie wichtig Teamarbeit ist. Man lernt dabei nicht nur zu coden oder Projekte zu strukturieren, sondern auch, wie man mit sehr unterschiedlichen Menschen zusammenarbeitet, Konflikte löst und trotzdem gemeinsam zum Ziel kommt. Das sind Erfahrungen, die man in keinem Buch findet, die aber im Berufsleben unglaublich wertvoll sind. Ein echter Wendepunkt für mich war außerdem die Wahl des Minors Data Science. Dort habe ich meine Begeisterung für Machine Learning entdeckt – etwas, das dann direkt in meine Bachelorarbeit und meine berufliche Ausrichtung geführt hat. Ohne diesen Schwerpunkt wäre ich wahrscheinlich nicht in diese Richtung gegangen.
Und was für mich entscheidend war: Professor Andy Witt. Er hat nicht nur Wissen vermittelt, sondern immer wieder Mut gemacht, den eigenen Weg zu gehen. Diese Ermutigung hat mir geholfen, intrinsisch motiviert zu bleiben und Themen wirklich mit Leidenschaft anzugehen.
Wenn ich zurückblicke, würde ich sagen: Das Studium hat mir nicht nur Fähigkeiten vermittelt, sondern auch die Klarheit, wofür ich brenne. Und genau das wünsche ich neuen Studierenden: Traut euch, Schwerpunkte zu wählen, die euch faszinieren, nehmt die Projektarbeiten ernst – sie sind ein geschützter Raum, in dem man Fehler machen darf – und sucht euch Mentoren, die euch inspirieren. Dann wird das Studium nicht nur ein Abschluss, sondern ein Sprungbrett.