Data Science: HSBA-Absolventin entwickelt KI-Modell zur Kundenwertprognose

Unsere Alumna Lydia Bräuer hat mit ihrer Bachelorarbeit untersucht, wie sich der Customer Lifetime Value mithilfe von Data-Science-Methoden vorhersagen lässt – und gewann dabei wertvolle Erkenntnisse über die Chancen und Grenzen von Künstlicher Intelligenz im Marketing.

Schon während ihres dualen Bachelorstudiums an der HSBA war Lydia klar: Sie möchte verstehen, wie Daten Entscheidungen verändern können. Sie war von dem Thema so fasziniert, dass sie den Track wechselte, um den Minor Data Science belegen und sich in diesem zukunftsweisenden Feld spezialisieren zu können.

Ihre Bachelorarbeit, die sie in enger Abstimmung mit ihrem Partnerunternehmen Tchibo schrieb, wurde von ihrem ehemaligen Professor Dr. Andy Witt als „überragend“ bezeichnet – nicht nur, weil sie komplexe Machine-Learning-Modelle anwandte, sondern weil sie zeigte, wie wichtig die Qualität und Struktur von Daten für den Erfolg solcher Modelle sind. Im Interview mit uns spricht Lydia darüber, wie ihr Studium an der HSBA sie auf diese Herausforderungen vorbereitet hat, was sie aus ihrer Forschung gelernt hat und welche Bedeutung ihre Ergebnisse für Tchibo und das datengetriebene Marketing haben.

Liebe Lydia, herzlichen Glückwunsch zu Deinem Abschluss und Deiner tollen Bachelorarbeit! Wie bist Du denn auf das Thema Deiner Arbeit gekommen? Kam die Initiative von Dir oder hast Du es zusammen mit Tchibo entwickelt? 

Nach den ersten Vorlesungen von Prof. Dr. Andy Witt zu Data Science und Künstlicher Intelligenz war mir sofort klar, dass ich meine Bachelorarbeit in diesem Bereich schreiben möchte. Gleichzeitig hatte ich durch meinen ersten Praxiseinsatz im Loyalty Bereich bei Tchibo erste Berührungspunkte mit dem Thema Kundenbindung, das mich sehr fasziniert hat. Ich wollte diese beiden Themenfelder in meiner Thesis gerne miteinander verbinden. 

Daraufhin bin ich mit einem Themenvorschlag im Bereich der Prognose von Kundenverhalten auf die Fachabteilung bei Tchibo zugegangen und es stellte sich heraus, dass das Team gerade an Fragestellungen zur Kundenplanung interessiert war. In enger Abstimmung und Abhängigkeit der Datenverfügbarkeit haben wir uns schließlich gemeinsam auf das Thema Prognose eines Customer Lifetime Values geeinigt. Diese Kennzahl ist im CRM besonders relevant, da sie hilft, Marketingbudgets gezielter einzusetzen und Kunden langfristig besser zu verstehen. So entstand ein Thema, das sowohl meine persönlichen Interessen als auch den praktischen Nutzen für Tchibo optimal vereint. 

Du hast für den Minor Data Science extra den Track gewechselt, Dir war diese Spezialisierung also sehr wichtig. Ab wann wusstest Du, dass Du Dich auf Data Science und Künstliche Intelligenz spezialisieren möchtest? Wie ist es dazu gekommen?  

Während meiner Praxisphasen habe ich schnell eine Begeisterung für Daten entwickelt und die Ableitung echter Handlungsempfehlungen hat mich fasziniert. Besonders im Loyalty Bereich hatte ich erste Berührungspunkte mit dem Data Science Team und die Relevanz der Erkenntnisgewinnung aus der Datenbasis, für die Entwicklung der Geschäftsstrategie sowie die Entwicklung datengetriebener Modelle haben mein Interesse an diesem Feld weiter entfacht. 
Parallel dazu hat sich mein Interesse für Daten und ihre Potenziale in den Vorlesungen an der HSBA vertieft. Die Aktualität des Themas Künstliche Intelligenz und die Tatsache, dass es innerhalb kürzester Zeit nahezu alle Lebensbereiche verändert, haben mich zusätzlich motiviert, die Mechanismen und Funktionsweisen dahinter wirklich zu verstehen. Der Track-Wechsel in den Data Science Minor war für mich daher ein bewusster Schritt; Ich wollte mir das theoretische und methodische Fundament für Data Science und Machine Learning aneignen. 

Du hast eine „überragende“ Bachelorarbeit geschrieben, so formulierte es Dein ehemaliger Professor Dr. Andy Witt. Soweit ich es verstanden habe, ist aber eine Erkenntnis Deiner Arbeit, dass KI (doch) nicht alles kann. Kannst Du uns das kurz erklären? 

Genau das machte das Thema und die Bearbeitungszeit für mich sehr spannend. Direkt zu Beginn stellte sich heraus, dass die Datengrundlage bei Tchibo eine große Herausforderung für die Entwicklung eines Vorhersagemodells darstellt. Dies liegt an der Komplexität des Geschäftsmodells, neben dem Kaffeesortiment wechselt das Non-Food-Angebot wöchentlich nach dem Prinzip „jede Woche eine neue Welt“ und zusätzlich verteilen sich die Verkäufe auf drei Vertriebskanäle. Dadurch sind die Daten stark fragmentiert und bilden eine schwierige Grundlage für Machine-Learning-Modelle. 
Ein zentraler Grundsatz in der Künstlichen Intelligenz lautet: „Garbage in, garbage out.“ Ein Modell kann also nur so gut sein wie die Daten, mit denen es trainiert wird. Daher musste ich mich zunächst intensiv mit der Frage beschäftigen, welche Daten in welcher Form aufbereitet werden müssen, um überhaupt eine aussagekräftige Prognose zu ermöglichen. In mehreren Iterationen habe ich unterschiedliche Modellansätze getestet, angefangen bei klassischen Modellen wie z.B. einfachen Neuronalen Netzen, die sich für die vorhandenen Daten jedoch nicht eigneten. 
Der Fokus meiner Arbeit verschob sich daher von dem Ziel, die „ideale Prediction“ zu liefern, hin zu der Frage: Wie lässt sich der Anwendungsfall überhaupt modellieren? Welche Kundenmerkmale sind sinnvoll und welche Modelle und Methoden können unter den gegebenen Rahmenbedingungen noch nutzbare Prognosen liefern? 
Dabei wurde erneut deutlich, dass nicht jeder Anwendungsfall einfach durch KI gelöst werden kann. Vielmehr hängt die Leistungsfähigkeit stark vom konkreten Use Case, den verfügbaren Daten und der Modellauswahl ab. Genau diese Erkenntnis ist wertvoll – sowohl wissenschaftlich, da sie die Grenzen der Methoden aufzeigt, als auch in der Praxis, um realistische Erwartungen an den Einsatz von KI im Kundenmanagement zu entwickeln. 

Hat Tchibo trotzdem einen konkreten Mehrwert durch Deine Bachelorarbeit? Und falls ja, kannst Du uns ein Beispiel geben?   

Der Mehrwert für Tchibo liegt auf mehreren Ebenen. Zum einen konnte ich sehr klar herausarbeiten, welche Ansätze und Methoden tatsächlich einen Nutzen liefern und welche ungeeignet sind. Diese Erkenntnis ist besonders wichtig für die effiziente und gemeinsame Weiterentwicklung des Modells mit den entsprechenden Stakeholdern. Dadurch wird es von einem Forschungs- und Testansatz hin zu einem operativ nutzbaren Instrument im Kundenmanagement überführt. 
Vor dem Hintergrund, dass das Kundenverhalten im FMCG-Sektor eine inhärent hohe Varianz aufweist, hat sich gezeigt, dass das entwickelte Modell für bestimmte Anwendungsfälle eine beachtliche Genauigkeit erreicht. Berücksichtigt man die unvermeidbaren Ungenauigkeiten, lassen sich die Ergebnisse für strategische Entscheidungen im Marketing nutzen. 
Ein Beitrag meiner Arbeit lag außerdem in der Identifikation der entscheidenden Features, also der Faktoren, die besonders stark mit Kundenbindung und Churn-Risiken zusammenhängen. Dies ist für das CRM und die Leitlinie, die Abwanderungsquote zu reduzieren und Kunden langfristig zu binden, zentral. 
Ganz konkret kann der berechnete CLV beispielsweise zur Segmentierung von Kundengruppen eingesetzt werden. So lassen sich Kunden mit hohem Umsatzpotenzial gezielt für Marketingmaßnahmen identifizieren oder, umgekehrt, solche, bei denen weitere Investitionen voraussichtlich nicht mit einer hohen Rentabilität einhergehen. Das Modell bildet damit eine Komponente für eine datenbasierte und zukunftsorientierte Kundenplanung. 

Hat Dich Dein Studium insgesamt gut auf das Arbeitsleben vorbereitet?  

Das duale Studium hat von Beginn an die Wichtigkeit der Verzahnung von Theorie und Praxis vermittelt und damit ist zum Ende des Bachelors der Sprung in das Berufsleben keine große Umstellung. Über die Vorlesungen an der HSBA konnte ich mir ein fundiertes betriebswirtschaftliches und methodisches Fundament aneignen, das ich bei meinem Praxispartner unmittelbar anwenden konnte. Schon meine ersten Praxiserfahrungen, wie beispielsweise im Loyalty-Bereich, halfen mir meine fachlichen Interessen frühzeitig zu erkennen und meine Studienschwerpunkte gezielt darauf auszurichten. Diese Verbindung wurde durch praxisnahe Projekte und wissenschaftliche Arbeiten zusätzlich gestärkt; viele davon ließen sich direkt auf Fragestellungen aus dem Partnerunternehmen übertragen, nicht nur in der Bachelorthesis. Hierdurch baut man einerseits sein fachliches Wissen aus und andererseits lernt man, sich schnell in neue Themenfelder und Abteilungen tief einzuarbeiten. Darüber hinaus war die Zusammenarbeit mit Kommilitonen aus verschiedenen Branchen im Studium sowie mit unterschiedlichen Fachabteilungen im Unternehmen, wie bspw. Marketing, Data Science und mehr, besonders wertvoll und hat die Wichtigkeit hervorgehoben, verschiedene Perspektiven einzubeziehen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln. 

Neben der engen Verzahnung von Theorie und Praxis hat mir die große Vielfalt und Flexibilität im Studium besonders gut gefallen. Nach meinem gewählten Schwerpunkt in Finance im Business Administration Studiengang hatte ich zusätzlich die Möglichkeit, den Minor Data Science aus dem Zweig Wirtschaftsinformatik zu wählen. Auch die Auswahl an Wahlkursen neben dem Kerncurriculum habe ich als großen Mehrwert erlebt. Dadurch konnte ich meine Interessen sehr frei verfolgen und mir ein individuelles Studienprofil zusammenstellen. 
 
Außerdem erinnere ich mich sehr gerne an mein Auslandssemester. Die HSBA bietet eine breite Auswahl an Partnerhochschulen und ich würde diese Erfahrung nicht missen wollen. Ich habe viele neue Eindrücke gewonnen, tolle Menschen kennengelernt, aus denen sich bleibende Freundschaften entwickelt haben und wertvolle Erfahrungen gesammelt. Insgesamt hat mich das Studium nicht nur fachlich weitergebracht, sondern auch persönlich geprägt. 

Data Science (Minor) 

Der Minor Data Science vermittelt Grundkenntnisse im Bereich Data Science und künstliche Intelligenz. Inhaltlich bauen Teile der Vorlesung auf Statistik auf. Module: Data Science, Künstliche Intelligenz, Case Studies zu Data Science und künstlicher Intelligenz.

Im Studiengang Business Administration können sich Studierende schon ab dem zweiten Studienjahr spezialisieren und ihr Studium noch flexibler und individueller gestalten.