An was denken Sie dabei?
Klein: Hierzu müssen wir uns zunächst vergegenwärtigen, was Familienunternehmen sind: nämlich ein Konstrukt das im Wesentlichen aus 3 Komponenten – wir nennen es Systeme – besteht: nämlich die Familie, das Unternehmen und die Eigentümer. Die Besonderheit der Familienunternehmen besteht nun darin, dass sich diese drei Sphären bildlich gesehen überschneiden. Inhaltlich ist damit gemeint, dass Eigentümerschaft, Management des Unternehmens und Familie oft ganz oder zumindest teilweise in Bezug auf die handelnden Personen identisch sind. Familie und Unternehmen sind also eng miteinander verknüpft, so dass sich wechselseitige Ergänzungen erkennen lassen. Dabei wird die Familie eine zusätzliche Ressource für das Unternehmen – also das sprichwörtliche Familien-unternehmen.
Was bedeutet das für die von Ihnen vermutete höhere Krisenstabilität?
Prigge: Es dürfte zunächst auf der Hand liegen, dass die weitgehende Identität der genannten Akteure in der Wahrnehmung ihrer Rollen als Familienmitglied und Manager oder Eigentümer zunächst einmal Schnelligkeit in der Entscheidungsfindung und -umsetzung begründen. Ein nicht zu unterschätzender Geschwindigkeitsvorteil, da z.B. keine formalen Gremien Entscheidungsprozesse verlangsamen. Zweitens fällt mir sofort ein vermutlich stärker ausgeprägtes Verantwortungsgefühl ein. Ein angestellter Manager dürfte sich vergleichsweise z.B. weit weniger um das Wohl seines arbeitgebenden Unternehmens sorgen, als es ein Familienunternehmer tatsächlich macht. Für ihn, den Familienunternehmer, sind nämlich oft „alle Eier in einem Korb“ – nämlich in dem Unternehmen und das Schicksal des Unternehmens kommt dem Schicksal der Familie schnell gleich. Dadurch lässt sich gut nachvollziehen und erklären, dass Familienunternehmen sich durch ein ganz besonderes Stakeholder-Management auszeichnen müssen und es auch tun.
Können Sie kurz erklären, was Sie damit meinen?
Klein: Ohne jetzt allzu weit ausholen zu wollen: ein besonderes Merkmal von Familienunternehmen besteht darin, nicht primär finanzielle Zielsetzungen zu verfolgen. Vielmehr lässt sich beobachten, dass immaterielle psychologisch motivierte Faktoren häufig überwiegen. Studien haben gezeigt, dass der Erhalt z.B. von sozialen Bindungen sowohl in der Familie aber auch zu Kunden und Lieferanten ein hohes Gut darstellt, das es gilt, auf jeden Fall zu erhalten (siehe Erklärungskasten SEW) Das geht konsequenterweise so weit, dass auch finanziell motivierte Optionen nicht wahrgenommen werden, obwohl sie Renditen versprechen, sofern eine potentielle Gefährdung der immaterielle Werte erkannt wird. Diese Risikoaversion ist also eine Folge daraus, dass immaterielle Werte höher eingeordnet werden als finanzielle Chancen.
Prigge: Die stärkere emotionale Bindung der Unternehmerfamilie an das Unternehmen und der Wunsch, das Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben, kann dazu führen, dass die Unternehmerfamilie in der Krise mit mehr Herzblut um ihr Unternehmen kämpft, als das beim Nichtfamilienunternehmen der Fall ist. Dazu passt eine umfangreiche Studie über britische Unternehmen. Sie hat herausgefunden, dass die Insolvenzwahrscheinlichkeit von Familienunternehmen im Untersuchungszeitraum 2007-2010 signifikant geringer war als die von Nicht-Familienunternehmen.